Dass es zwischen beruflichem und privatem Leben zu Überschneidungen kommen kann, ist kein exklusives Phänomen im Journalismus. Aber im Journalismus können diese Überschneidungen besonders pikant werden – je nach Person, Format oder Thema. Wie fühlt es sich für mich an, wenn ich ich eine Bekannte interviewe? Oder eine Freundin Protagonistin in meiner Sendung ist? Wann lasse ich mich drauf ein, wann lasse ich lieber die Finger davon? 4 Punkte, die für mich wichtig sind.
Um welches Format handelt es sich?
Wenn es im Radio darum geht, einen kurzen O-Ton zu fischen, habe ich keine Hemmungen, Bekannte zu interviewen. Am „Tag des Tagebuchs“ – solche skurillen Feiertage bieten viel Potential für’s Radioprogramm – hat die Redaktion nach jemandem gesucht, der oder die ein Online-Tagebuch führt. Im Vordergrund stand also das Thema und es wurde nach einer Person gesucht, die dazu etwas erzählen kann. Mir ist sofort jemand aus meinem Bekanntenkreis eingefallen und die Person hatte tatsächlich gerade Zeit, um auf drei Fragen zu antworten. Keine große Sache, für die Person eine nette Erfahrung.
Handelt es sich um ein tiefergehendes Format wie eine Porträtsendung für’s Fernsehen, wächst bei mir die Hemmschwelle. Nicht, weil ich grundsätzlich mit Menschen befreundet bin, die nicht fernsehtauglich wären. Aber: Der Aufwand, die Erwartungen und die möglichen Konsequenzen stehen auf einem ganz anderen Blatt.
Im Vorfeld Erwartungen klären
Wenn ich eine Person in meinem Umfeld grundsätzlich für ein bestimmtes Format geeignet finde, spreche ich sie darauf an. Und erwarte erstmal keine Antwort. Ob jemand öffentlich über sich sprechen möchte, ist eine große Sache. Und im Internet ist das auch noch eine große Sache, die nicht vergessen wird. Auch wenn das jeder weiß, betone ich das gerne. Wenn mir die Person nach der Überlegungszeit zusagt, skizziere ich den Ablauf der Vorbereitung und Durchführung. Alles, was mit Bewegtbild zu tun hat und nicht live ist, nimmt häufig viel mehr Zeit in Anspruch als Leute sich vorstellen 😉 Neben dem Zeitfaktor ist für mich noch wichtig, meine Rolle zu erklären: Als Autorin bzw. Reporterin liegt das letzte Wort einer Sendung nicht bei mir. Ob die Sendung tatsächlich stattfindet; wenn ja, wann; wenn ja, unter welchem Titel? Das sind alles Fragen, bei denen ich mitspreche, aber nicht entscheide.
Distanz beim Interview
Wenn ich einen Freund oder eine Freundin im Vorgespräch interviewe, versuche ich, ganz offen und unbefangen an die Geschichte zu gehen. Ich stelle Fragen, auf die ich die Antwort vermutlich schon weiß. Warum ist das wichtig? Ich muss unterscheiden zwischen dem, was ich grundsätzlich über diese Person weiß und dem, was sie im Interview auch tatsächlich preisgeben möchte. Natürlich kann ich – wenn ich das Gefühl habe, mein Gesprächspartner könnte zu einer Frage noch viel mehr erzählen – gezielter nachfragen. Wenn mein Gegenüber darauf aber nicht eingehen möchte, lasse ich es so stehen. Wenn im Gespräch Details zur Sprache kommen, bei denen ich mich frage: „Ist das wirklich ok, wenn das veröffentlicht wird?“, hake ich extra nach. Denn natürlich kann es sein, dass mein Kumpel in der vertrauten Atmosphäre mit mir Dinge erzählt, die er einem unbekannten Reporter niemals sagen würde. Also im Zweifelsfall lieber einmal zu viel nachfragen, was für die Veröffentlichung bestimmt ist.
Vorbereitung auf Zuschauerreaktionen
Aufklärung über gemeine Kommentare in den sozialen Medien gehören in mein Standard-Vorgespräch-Programm. Wenn ich Interviewpartner persönlich kenne, kann ich sie besser einschätzen und mutmaßen, wie sie mit doofen Reaktionen im Netz umgehen würden. Die meisten Menschen, zu denen ich Kontakt habe, pflegen ihren privaten Social-Media-Account. Und gefolgt wird diesem Account von Freunden, Familie und Bekannten – allesamt (hoffentlich ;)) Menschen, die der Person wohlgesonnen sind und nach ihrem Besuch auf dem Profil einen netten Smiley hinterlassen. Unbekannte Menschen können sich unter Umständen anders verhalten. Wenn ihnen die Sendung nicht gefallen hat und sie cool sind, bringen sie ihre Kritik nüchtern zum Ausdruck. Mit sachlichen Punkten anstatt mit angreifenden Ausrufezeichen. Doch nicht jeder nimmt sich die Zeit oder hat das Herz dafür. Gerade bei Formaten, bei denen nicht das Thema, sondern der Mensch im Vordergrund steht, ist das schwer verdaulich. Personen des öffentlichen Lebens kennen das und haben oft schon gelernt, das einzuordnen und entscheiden sich trotzdem, weiterhin öffentlich aktiv zu sein. Für Menschen, die das nicht kennen, kann das eine ganz neue und schmerzhafte Erfahrung sein. Damit es im Nachhinein nicht zu ungeahnten Verletzungen kommt, weise ich im Vorfeld darauf hin.
Ein Erlebnis, das verbindet
Nichtsdestotrotz: Es ist eine aufregende Erfahrung, für’s Radio oder ein Online-Portal interviewt zu werden oder Teil einer Fernsehsendung zu sein. Und es kann ein besonderes Erlebnis für meine Bekannte und mich sein, wenn wir das gemeinsam erleben – vor und hinter der Kamera, dem Mikro, dem Notizblock. Denn Medienarbeit ist etwas Schönes – wenn wir etwas Schönes daraus machen.